Ingvar, Schweden.


Wie ich durch die Wälder Smålands fahre, riecht die Luft nach Kiefernharz und Regen. Älmhult liegt vor mir – klein, beinahe unscheinbar –, und doch weiss ich: hier begann etwas, das die Welt verändern sollte. Das erste IKEA Einrichtungshaus von 1958, damals das größte Möbelhaus Nordeuropas, ist heute das IKEA Museum.

Ein Gebäude aus Glas und Beton, entworfen von Claes Knutson, das mehr Bühne als Laden war. Nun steht es da wie ein Geschichtsbuch, durch das ich Seite für Seite spaziere.

In den frühen 60er Jahren ist Schweden im Aufbruch. Neue Architektur, klare Linien, helle Räume – die Moderne klopft an jede Tür. Ingvar Kamprad, Sohn eines Hofes in Småland, versteht, dass gutes Design nicht nur den Reichen gehören soll. Sein Prinzip des „demokratischen Designs“ ist bis heute Herz von IKEA: Form, Funktion, Qualität, Nachhaltigkeit und ein niedriger Preis. Einfach, praktisch, schön – Möbel für viele statt für wenige.

Und genau das vermittelt die Ausstellung: Wohnzimmer aus verschiedenen Jahrzehnten, Katalogseiten, ikonische Stücke wie Billy oder Klippan. Doch es sind nicht nur Möbel, die ich sehe – es ist ein Versprechen: dass Gestaltung den Alltag besser machen kann.

Über allem steht Ingvar selbst. Geprägt von der kargen Erde Smålands, wo jeder Nagel und jedes Stück Holz zählt. Nicht aus Geiz, sondern aus Respekt. Dieser Geiz, pardon, dieser Geist hat IKEA groß gemacht: der Wille, mit wenig viel zu schaffen, und der Mut, immer neue Wege zu gehen.

Das Museum ist kein stiller Tempel, sondern bunt, fast wie ein Kinderbuch. Räume in kräftigen Farben, Möbel, die zu Figuren werden. Ich gehe durch begehbare Katalogseiten, drehe an alten Werkstattkurbeln, rieche Holz und Farbe. Kinder lachen, Erwachsene verweilen vor Ingvars originalem Schreibtisch. Alles wirkt spielerisch, leicht, und doch spürt man hinter jeder Ecke die Ernsthaftigkeit einer Vision.

Es ist Mittag, und es kommt, wie es kommen muss: Köttbullar im Museumsrestaurant; kleine Fleischbällchen, dazu Kartoffelpüree, Rahmsauce, Preiselbeeren, und sie sind saugut. Dieses Gericht ist ebenso demokratisch wie die Möbel: einfach, erschwinglich, und voller Geschmack. Jeder Biss ein Bisschen Schweden – bodenständig, wohltuend, einladend.

Das IKEA Museum indes: Eintauchen in eine Idee, die weit größer ist als Möbel. Ein Neubeginn, geboren im kleinen Älmhult, getragen in die Welt hinaus von einem Småländer, dessen Sparsamkeit zur Weltbewegung wurde. Es lebe Ingvar!

Ich fahre zurück durch die Wälder gegen Malmö, wo es immer noch windet wie wahnsinnig, 100 Stundenkilometer! Eigentlich wollte ich ja heute noch über die Brücke nach Dänemark. Während des Fahrens Richtung Küste denke ich über all die IKEA Billy-Gestelle, IKEA Abtropfsiebe, IKEA Abfalleimer fürs Bad und IKEA 1.– Hotdogs (mittlerweile 1.50 !) nach, mit denen ich in meinem bisherigen Leben bereits in Berührung kam, an all die Montageanleitungen, die zielsicher ein Möbel ergeben, wenn man sie nur verkehrt herum befolgt, an all die Schränke, die sich nach dem zweiten Umzug nicht mehr stellen liessen und daran, dass hinter aller Effizienztreiberei und lottriger Machart einfach trotzdem vor allem unglaublich viel Kreativität und bestes Design in IKEA steckt, auch heute noch, übrigens.

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